Markus Langemann, 31, ist Anführer der Morgencrew mit Bully, Heinz
Praktikant, Holgi Fahrradkurier und ist mit seinem Blödsinn auf Radio
Energy ein Popstar geworden. ‚Vom Mutterleib neben einen Transistor gefallen‘,
übte er sich schon mit 13 beim Radio, wirkte als Reporter bei Print
und Fernsehen, studierte Diplom-Journalistik in München und hat jetzt
der Albernheit in München zu höheren Weihen verholfen. Während
übliche Morgenmoderatoren sich darauf beschränken, ein paar witzige
Meldungen aus der Klatsch-Spalte vorzulegen, inszeniert Aufputscher Langemann
ein ganzes Spektakel der akustischen Art. Der Journalist hat seinem früheren
Leben den Rücken gekehrt: ‚Wir müssen unsere Pointen schneller
auf den Punkt bringen. Fakten Fakten, Fakten brauchen wir überhaupt
nicht. Wir machen unsere Hörer lieber wach.‘ Wenn er Aktuelles überhaupt
einbaut, dann in kleinen Liedchen zum Beispiel über Boxkämpfe:
‚Nasenbein und Kiefer bricht / Doch das schadet dem Konto nicht.‘
Für die Massen senden
Könnte er als Journalist mit Hang zum Lustigen womöglich
mit anspruchsvollem Kabarett, reüssieren? Lieber nicht, ‚da freuen
sich dann ein paar Intellektuelle und arbeitslose Lehrer, die Taxi fahren‘,
stellt sich der Stratege vor; vermutlich fehlt ihm dazu auch die Bissigkeit
und der Zynismus eines Harald Schmidt. Langemann will für die Massen
senden und ein ‚Urbedürfnis‘ des Menschen befriedigen: ‚Frühmorgens
möchte kein Mensch angeödet werden‘, lieber mit ‚einem Schmunzeln‘
aufstehen, um die Unbilden des frühen Tages zu vergessen, weshalb
es den Herrn auch nicht wundert, daß Intellektuelle jeden Alters
zu seiner Hörerschaft gehören. Herr Langemann steht also um vier
Uhr auf und grübelt schon beim Zähneputzen darüber, ‚was
die Menschen heute beschäftigt‘. Wer die Menschen mit ihrem Wunsch
nach guter Laune nicht liebe, der stünde diesen ‚körperlich erschöpfenden‘
Job eh nicht lange durch - der Selbstdarsteller hat einen 17- Stunden-Tag.
‚Ich steh im Stau und hör die Morgenschau / Wie jeden Tag, ertrag
ich diesen Quark‘, hört München. Langemann paßt haarscharf
in jene Generation von Komikern, die mit zunehmender Blödheit immer
mehr Erfolg haben, seien es die Doofen, Stefan Raab, Helge Schneider oder
Ray Cokes. Er hat erkannt, daß es zum Lachen keiner intellektuellen
Legitimation bedürfe: ‚Lachen um des Lachens Willen ist erst im kommen‘,
lautet seine Zeitgeist-Diagnose. Er selbst kichert gern über den Fußgänger,
der sich nach einem Mädchen umschaut und gegen den Laternenmast rennt.
Bescheuert ist er deswegen genausowenig wie seine Hörer, und in der
Sendung empfindet er sich als ‚Bandleader‘, der den Klamauk organisiert
und vor dem endgültigen Abrutschen ins Chaos bewahrt.
Humor ist ein Markt, und daß hinter dem Morgen-Spinner der Geschäftsmann
steckt, ist ja hin und wieder angemerkt worden. Der clevere Spaßvogel
mit Krawatte und Hosenträgern produziert seine Sendung selbst, vermarktet
sie im Internet und mit Fanartikeln, spricht vom ,durch und durch strategischen
Produkt‘ und von der Arbeit, die er in dieses Konzept gesteckt habe. Mit
seinen drei Kumpeln hat er einen ‚Output‘ von 6000 Pointen im Jahr, die
meisten geplant, ein paar improvisiert. In seinem Büro lehnt er sich
zurück und stellt fest, daß das schon ein ganz schön anstrengendes
Handwerk sei, für einen wie ihn vor allem, der sogar zu faul ist,
‚den Müll mal runterzutragen'.
Der Reiz am Radio sei, daß man ein Theater im Kopf der Hörer
erzeugen könne. Radio ist Langemanns Medium, und er sieht sich darin
gern als eine Art Copperfield, der Situationskomik zaubert. Reportern will
er folglich nicht so gerne in seinen Zauberkasten schauen lassen, wo der
morgendliche Aktionismus entsteht und wo Langemann beschwört: ‚Diese
Stadt, sie wird wach! Richtig wach!‘ Daß dabei eine Band trötet
und im Hintergrund gekichert wird und ein Aufzug lärmt (,weil die
Treppe kaputt ist‘), das ist tatsächlich bescheuert, aber die Leute
rufen an und bedanken sich, daß ‚ein Scheiß-Tag‘ durch die
Morgenshow wenigstens erträglich geworden sei. Man glaubt ihm, wie
sehr er sich über dieses ‚Feedback‘ freut.
Der Münchner Radio-Revoluzzer ist noch relativ harmlos. In Frankreich
entbrannte im letzten Jahr eine heftige Debatte über die Exzesse junger
Moderatoren im Radio: mit Zoten über tote Polizisten und Auschwitz,
politischer Satire und Pornographie prügelte sich die Branche um die
Junghörer der Nation; das Radio war zum Schlachtfeld geworden. Langemann,
an dessen Pinwand die Maxime hängt, daß es um Nummer eins zu
werden anderer Rezepte bedürfe als um Nummer eins zu bleiben, wird
er noch zum Ärgernis? Eher unwahrscheinlich.
Zwar freut er sich, daß ‚der Humor endlich losgelassen wird‘.
Er. selbst liebt auch schwarzen Humor und Kalauer von Harald Schmidt, der
ob seiner diskutablen Späße etwas ins Gerede gekommen ist. Langemann
findet ihn witzig und schimpft wie so viele Medien-Yuppies über die
Bigotterie jener Leute, die an Schmidt und die Medien moralische Maßstäbe
anlegen. Anrüchiges aber kommt ihm in die Morgenshow nicht. Denn er
geht von einer Philosophie aus, die er so formuliert: ‚Laß mir am
Morgen meine heile Welt. Heute abend kann ich dann über ein Raucherbein
lachen.‘ Heile Welt und München, schon wieder! Niedersachse Langemann
hat erkannt, wieviel er hier zumuten kann. |