SZ,
ca. aus dem Sommer 1995
Schräge Optik, wenig Neues ‚Der Langemann‘ – eine Münchner Radiofigur entzaubert sich im Fernsehen |
Selbstvermarktungskünstler Markus Langemann Photo:Stephan Rumpf |
VON TITUS ARNU
Freitagabend mitten in München, S- Bahn-Untergeschoß am Isartor: Außen an der Glasscheibe drücken sich 150 Schaulustige die Nasen platt, und innen im Studio toben die Teenies. Im einem engen gläsernen Raum beginnt gerade die Fernsehshow Der Langernann, und es herrscht eine Stimmung wie in einer Schuldisco. Die Fans tragen Langemann-T-Shirts, klatschen im Takt und rufen ,Lan-ge-mann! Lan-ge-mann!‘ Ein 13jähriger Junge hat ein selbstgemaltes Transparent mit ins Studio gebracht, auf dem steht: ‚Der Langernann, die beste Show Deutschlands‘. |
Der Langemann - das ist Markus Langemann, ein blonder dynamischer Dauergrinser
‚mit Ochsenfroschmimik‘, wie der deutsche Fernsehdienst bemerkte. Von seinem
Studioschreibtisch aus kalauert Langemann über Michael Jacksons Schönheitschirurgen
(,Der letzte macht den Mund zu‘), Vater Graf (‚Hat zu kurze Beine und zu
lange Finger‘) oder über die Kunstfigur ‚Chefredaktööör‘.
Der Langemann war bisher nur als Stimme präsent, als Hauptfigur der
Radioshow Langemann und die Morgencrew. Jeden Werktag von sechs bis neun
Uhr wirft der Hochgeschwindigkeitsquassler müde Münchner mit
grobem Unfug aus dem Bett, und seit fünf Wochen strahlt das Lokalfernsehen
TV München Langemanns Liveshow aus. Da kann es schon mal passieren,
daß der routinierte Radiomann einen Anrufer in der TV-Sendung um
halb acht Uhr abends mit einem schwungvollen ‚Hallo, schönen guten
Morgen!‘ begrüßt. Macht nichts, die Fans verzeihen ihm wirklich
alles.
Der Erfinder der nach Fan-Meinung ,besten Show Deutschlands‘ wendet auf jeden Fall die besten Vermarktungsstrategien Deutschlands an. Ein Großteil der Zuschauer trägt das ‚Kult-T-Shirt‘, ein gelbes Hemd mit der sinnigen Aufschrift ,Gelb‘. Langemann baut die Band ‚Bully und die Schlauen' auf als Konkurrenz zu Wigald Boning und den ‚Doofen‘. Außerdem verkauft Langemanns Firma ‚Villa Media‘ CDs, Uhren und andere Fanartikel. Und sie verkauft Ideen, Drehbücher, Kunstfiguren wie die ‚Bayern-Cops‘ sowie komplette Sendungen. Im Frühjahr wechselte Markus Langemann mit seiner Morgensendung von ‚Radio Gong‘ zu ‚Radio Energy‘ - die erste Transaktion in Deutschland, bei dem nicht nur ein Moderator, sondern ein Radiokonzept mitsamt Redaktion, Produktionstechnik und Jingles verkauft wurde. Bei Radio Gong hatte Langemann noch bis zu seinem Wechsel für Hörerzuwachs gesorgt, am Schluß allerdings vor allem bei den 30- bis 49jährigen, und die sind für die Werbung nicht so interessant wie jüngere Hörer. Gong liegt nach der Funkanalyse Bayern bei elf Prozent Tagesreichweite. Energy kommt nur auf 10,3 Prozent, hat aber im Vergleich zum Vorjahr einen Sprung von drei Prozent gemacht. Dies war auch der Grund, warum sich Langemann für Energy entschied: ,Wir wollten zu einem Sender, der im Kommen ist.‘ ‚Und wir versuchen, jünger zu werden‘, sagt Stefan Höper, Programmdirektor von Energy. Die Altersstruktur des Senders leide bis heute unter dem Erbe des Schlagerkanals Xanadu. Im Juni vergangen Jahres wandelte eine neuformierte Betreibergesellschaft den Classic-Rock-Sender Xanadu in den Pop-Kanal Energy um. Von Xanadu übernahm Energy eine Hörerschaft, die zum Teil deutlich älter ist als 39. Ob Langemann es geschafft hat, den Altersdurchschnitt zu senken, steht noch nicht fest, da die entsprechenden Daten noch nicht vorliegen. Langemanns Morgenshow lebt von Mitmach-Aktionen und telephonischen Nonsens-Dialogen zwischen Kunstfiguren und Hörern. Der Moderator Langemann war im Radio selbst auch eine Kunstfigur; im Fernsehen entzaubert er sich selbst. ‚Es war ein Risiko, den Fans die Illusion zu nehmen‘, sagt Markus Langemann, aber gleichzeitig mache dies auch den Reiz der Fernsehshow aus. Langemann erklärt den Überraschungseffekt so: ‚Vielleicht habe ich mir als Fan am Radio einen völlig abgepißten Grungetypen vorgestellt, und nun sehe ich einen Krawattenheini mit Hosenträgern auf dem Bildschirm.‘ Im Prinzip ist die schräge Optik der Show auch die einzige Überraschung für die Fans. Denn was der Krawattenheini mit Hosenträgern inhaltlich bietet, ist die konsequente Übertragung der Radiosendung ins Fernsehen. Die bisher gesendeten fünf Folgen bescherten dem kleinen Sender TV München einen durchschnittlichen Marktanteil von sieben Prozent. ‚Der Überschwapp-Effekt vom Radio zum Fernsehen funktioniert‘, sagt Markus Stegmaier von TV München. Und das gehtso: In der TV-Show am Freitagabend erinnert Langemann seine Fans daran, am Montagmorgen Radio Energy einzuschalten. Und in der täglichen Morgensendung kündigt der Moderator seine Fernsehshow auf TV München an. Bei TV München wird überlegt, den Langemann zu verlängern. Aber Langemann ist nicht sicher, ob beim Breitwalzen der Show nicht eine ‚Samstag Nacht für Arme' herauskommt. Mit seiner 25minütigen ‚Early Night Show‘ dagegen sei er keine Konkurrenz zu den Late Night Shows und zur Comedy-Nacht bei RTL - zeitlich gesehen. Inhaltlich gibt sich Langemanns Blödel-Team alle Mühe, noch blöder auszusehen als Wigald Boning und Konsorten. Langemanns Kalauer-Kumpel ‚Bully‘ Herbig steht in der Quatsch-Serie ‚Bully und die Tapete‘ regelmäßig vor einer schaurig schönen Tapete, trägt einen schaurig schönen Schlips und macht einen schaurig schönen Witz: ‚Wie bereitet sich Schumi auf die Ehe vor? Er dreht eine Aufwärm-Runde auf dem Ehering.‘ |