D E R   S C H A T T E N
 

Die Schwierigkeit besteht hier darin: wo soll man beginnen?
Bei meinen ersten Besuchen in New York (NY) 1997 und 1999,
am 11.9.2001 oder 
ein halbes Jahr danach im März 2002?

Eigentlich bin ich ja auf der Suche, um zu verstehen, warum mir, wie so vielen anderen auch, der 11.9.2001 so nahe gegangen ist und warum man schon fast reflexartig die Augen verschließt, wenn die Bilder der Flugzeuge kommen, die in das World Trade Center (WTC) gesteuert werden.

Nine-Eleven – der 11.9
Daher denke ich, sollte ich mit dem 11.9 anfangen, einem Tag, der schon irgendwie komisch begonnen hat. Ich fühlte mich morgens in der Arbeit schon nicht besonders wohl und hatte das Gefühl, das mir der Kreislauf zusammenbricht, jedes Mal, wenn ich vom Tisch aufgestanden bin. Etwas, was ich bis dahin so nicht kannte und seit diesem Tag auch nicht mehr hatte. Am Nachmittag hatten wir einen Termin bei einem Kunden in Regensburg, zu dem ich mit meinem Kollegen J., sowie drei weiteren Kollegen aus Japan gefahren bin. Auf dem Weg dorthin meinte J., dass er sich nicht besonders gut fühlt und ich doch bitte fahren sollte.
Als wir uns nach dem Termin gegen 4:30p.m. wieder auf den Rückweg machten und den Radio eingeschaltet haben, konnten wir nicht glauben, was wir hörten, vor allem da zu diesem Zeitpunkt schon fast alles geschehen war. Kurz darauf rief mich C. an und ich fragte ihm, ob das alles war ist, was wir da hören und er sagte:
‚Ja, das WTC existiert nicht mehr!’ . . . . . . . . . . .
Im Büro zurück herrschte eine sehr bedrückte Stimmung und ich musste zuerst einmal den Fernseher einschalten und mir die Bilder ansehen, die ein Ausmaß an Zerstörung zeigten, was man in den schlimmsten Alpträumen nicht für möglich gehalten hätte. Am selben Tag kamen dann auch bei uns die ersten Reiseverbote und viele haben seit diesem Tage einige Bedenken und Ängste sich in einen Flieger zu begeben. In den nächsten Tagen ging das Arbeiten sehr schleppend voran und ich möchte aus dieser Zeit nur noch folgendes erwähnen: am 13.9 um 10a.m. fand eine fünfminütige Niederlegung der Arbeit in Deutschland statt. In diesen Minuten sollte niemand etwas Arbeiten und während dieser Zeit der Opfer in den USA gedenken. Dazu versammelten wir uns im Meeting Raum und dazu lief im Radio ‚Adagio for Strings’, ein Lied, das mir seit diesem Zeitpunkt noch mehr unter die Haut geht als schon zuvor.
Das diese Tage sehr bewegend waren, dürfte jedem klar sein, aber was ist es, dass ich dieses Ereignis so gar nicht mehr aus dem Kopf bekomme?

 
1997
Damals in New York
Ist es die Tatsache, dass bei meiner ersten Reise in die USA, nach Chicago, New York die zweite Stadt war, die ich besucht habe? Dies war am 20.8.1997 und wir fuhren mit dem Bus von Newark nach Manhattan, der uns am WTC absetzte. Ich war zu diesem Zeitpunkt sehr beeindruckt von diesen Riesen-Türmen und wir liefen dort herum und suchten ein Taxi, welches uns dann weiter zum Hotel bringen sollte. Am 23.08.1997 waren wir dann auf dem WTC, ebenso wie bei meinem Aufenthalt in New York im Dezember 1999, bei dem ich mich gewundert habe, dass die Flugzeuge so tief über das WTC fliegen dürfen und ich damals sogar zwei Flugzeuge fotografiert habe.
Oder ist es die Tatsache, dass ich in der Zeit des 11.9 in New York sein hätte können, da ich endlich meinen geplanten Besuch des Indian Summer machen wollte und von dort starten wollte, diesen aber auf unbestimmte Zeit verschoben habe.
Oder aber ist es die Tatsache, dass ich von Luft- und Raumfahrt schon seit frühester Kindheit fasziniert bin und ich auch Luftfahrttechnik studiert habe.
1999

 
Ein halbes Jahr danach
Tatsache aber ist, dass ich mit bereits kurz nach den Ereignissen vorgenommen hatte, wieder nach New York zu fliegen – und dies tat ich schließlich zusammen mit A. am 20. März 2002 und irgendwie wusste ich nicht, was einen dort erwartet. Nicht, dass ich Angst vor irgendwelchen Anschlägen hatte, da man genauso gut auf der Straße vom Stadtbus überfahren werden kann, aber wie wird sich die Stadt bzw. deren Bewohner verändert haben.
Als wir nachmittags angekommen sind, hat es geregnet, der allerdings bis zu unserer Ankunft im Hotel in leichten Nieselregen übergegangen ist. Dies hatte eine Art Nebeldunst zur Folge, der sehr tief über der Stadt hing. Als wir dann aus unserem Hotelzimmer geblickt haben, sahen wir eine Art Lichtschein, der sich im Dunst gebrochen hat. Durch die Lage unseres Hotels in Chinatown, vermuteten wir, dass dies die Lichtinstallation ’Towers of Light’ ist, die zum halbjährigen Gedenken errichtet worden ist. Daher machten wir uns noch abends auf den Weg, um dies zu erforschen. Aus dem Weg dorthin mussten wir bereits feststellen, dass die Strassen, wie z.B. im unteren Bereich des Broadway, sehr ausgestorben waren – und das in der ‚City that never sleeps’.
 
Den Lichtschein, den wir gesehen hatten, war tatsächlich die Lichtinstallation und bereits nach fünfzehn Minuten Fußmarsch sahen wir das erste Bild vom Ground Zero (GZ).
Dies ist sehr schwer zu beschreiben, da alles durch den Nebel sehr surreal und gespenstisch gewirkt hat.
Der GZ war als eine große, mit Scheinwerfern ausgeleuchtete Baugrube zu erkennen.
Am Ende stand ein Hochhaus mit dunklen Fenstern, welche noch mit schwarzen Tüchern abgehängt waren. An der Fassade hing eine riesige amerikanische Flagge.
Große Teile dieses Hauses waren beschädigt und eigentlich, so haben wir später erfahren, dachte man, dieses Haus würde auch noch einstürzen, was aber nicht passiert ist.
Das Gebiet war selbstverständlich abgesperrt und viele der noch stehen gebliebenen Häuser hatten Schäden kleineren und größeren Ausmasses.
 
 
Gleich am nächsten Tag gingen wir wieder zum GZ um das Ausmaß der Katastrophe bei Tageslicht zu betrachten, was diese noch viel offensichtlicher macht, da ein Riesenloch entstanden ist, welches eine gewisse Leere in den Strassen New Yorks erzeugt.
Der Zaun der kleinen Kirche, die trotz der Nähe zum WTC, wie durch ein Wunder überlebt hat, ist mit Briefen, Plakaten, Andenken und Kranichen aus aller Welt voll behängt. Die Kirche selbst diente bis zum Ostersonntag als Versorgungs- und Ruhestätte für die Bauarbeiter, Polizisten und weitere Helfer.
Mit einem kostenlosen Ticket konnte man dann noch auf eine Plattform, von der aus der GZ etwas von oben betrachtet werden konnte. Als wir oben waren, wurde gerade ein weiterer Toter geborgen und alle Bauarbeiter, Polizisten, etc. standen gerade Spalier. Dies ist dann wieder einer der Momente. . . . . .
Was wir noch feststellten, ist das der Bereich des Battery Park zum Hudson River einer richtigen Geisterstadt gleicht. Apartments und Hotels sind leer, Büros nicht besetzt und Geschäfte verwahrlosen.
In den nächsten Tagen in New York schließlich stellt man sich ständig vor, von wo aus die Türme zu sehen waren und wie sehr diese nun fehlen.
 
 
Aber was hat sich sonst noch verändert – seit dem 11.9?
Fangen wir mal mit den Flughäfen an. Das Einchecken in München war Sicherheit pur und extrem vorbildlich. Es wird das Gepäck durchleuchtet, welches man aufgeben möchte und auch öffnen, wenn etwas auffälliges entdeckt wird. Nach der Passkontrolle muss man die Jacke und die Schuhe ausziehen, was neben dem Handgepäck auch noch durchleuchtet wird. Und auch wenn es nicht piept, wird man nochmals abgetastet. Sollte man einen Laptop dabei haben, wird dieser extra durchleuchtet bzw. angeschaltet. Durch Kameras schaut das Sicherheitspersonal durch und spitze Gegenstände werden sowieso abgenommen. Am Gate selbst werden noch die Passdaten eingelesen.
Und in JFK in New York? Ein Minimum an Checks, was zeigt, dass die Amerikaner anscheinend nichts aus der Katastrophe gelernt haben (oder können sie alles so gut durchleuchten)? Das Gepäck wird erst nach dem Aufgeben durchleuchtet. Wird dann etwas auffälliges gefunden, wird der Passagier ausgerufen und muss unangenehme Fragen beantworten, was zur Folge hat, dass man fast zu 100% den Flug verpasst. Haftbar dafür ist der Fluggast selber, da er sich die Bedingungen durchgelesen haben sollte und z.B. nur eine Dose unter Druck (Toilettenartikel) dabei haben darf, da diese zum alltäglichen Gebrauch dient. Dies sind Aussagen vom Check-In-Schalter in JFK.
Beim Gang zum Gate wird noch kurz der Pass angeschaut und das Gepäck durchleuchtet – das war’s. Wir mussten weder die Schuhe ausziehen, noch die Kameras auspacken oder den Laptop einschalten. Ein paar andere Passagiere mussten dies zwar tun, aber nach welchen Kriterien dies ausgesucht wird, ist nicht nachvollziehbar. Die zwei schwer bewaffneten Soldaten, die da noch stehen, sind auch nicht das wahre.
In Manhattan selbst, hatten wir das Gefühl, dass das Polizeiaufgebot wesentlich größer geworden ist und was mir dieses mal besonders ausgefallen ist: nähert sich ein Kranken- oder Rettungswagen, sperren Fußgänger sofort den Verkehr ab, damit dieser zügig durchkommt (‚America salutes their heroes’).
Allerdings bei Flugzeugen, die sehr nahe über der Stadt fliegen, schauen doch sehr viele Leute nach oben.
Und im Metropolitan Museum of Art ist die Ausstellung über den ‚Nahen Osten’ geschlossen.
Dafür war im Museum of Modern Art (MoMa) die Ausstellung 'Here is New York' zu sehen, welche bereits vor dem 11.9 ins Leben gerufen wurde und als Thema 'New Yorker fotografieren ihre Stadt' hat. Nach dem 11.9 beschränkten sich die Bilder selbstverständlich auf EIN Thema und die Bilder werden im MoMa ausgestellt und in einer Dia-Show gezeigt Die Aufnahmen werden jedoch auf Grund der grossen Anzahl an Einsendungen ständig durchgewechselt. In der Ausstallung ist eine fast andächtige Stimmung: keiner spricht und jeder schaut sich in Ruhe die ausgestellten Bilder an, was wieder einer dieser Momente ist. . . . . .
Hubschrauberrundflüge über der Stadt sind sehr stark eingeschränkt worden und die Freiheitsstatue ist zur Besichtigung geschlossen.
   
    
Ein paar Gedanken
Ich denke, der Besuch am GZ und in New York macht einem die Katastrophe noch viel deutlicher und bringt sie einem sehr nahe, da einem viele Dinge durch den Kopf schießen.
Dies sind einerseits die Bilder, als das WTC noch gestanden hat und man selbst dort oben war und die Bilder der Flugzeuge, die in einem Akt von Terror in die Türme gesteuert worden sind und vielen unschuldigen Menschen das Leben gekostet haben, was ein sehr, sehr hoher Preis ist.
Es sind aber auch die Bilder als die Menschen durch die Strassen gelaufen sind, um sich vor den einstürzenden Hochhäusern zu retten und von denjenigen, die es nicht mehr geschafft haben.
Und nun befindet man sich an der Stelle, wo dieses Haus gestanden hat, man läuft wieder genau durch diese Straßen, hat aber die veränderte Skyline der Stadt ständig vor Augen – einer Stadt New York, die nie wieder das sein wird, dass sie einmal war, sich aber mächtig ins Zeug legt um wieder möglichst nah an den alten Zustand zurückzukommen, was auch sehr wichtig ist.
Ein New York, indem etwas fehlt –  DER SCHATTEN  des World Trade Centers!

Der Flyer 1997
 
 
 
 
 
 

Weitere Bilder von damals und heute
 
 
 
 
 
 

   Towers of Light

Imagine - John Lennon
   

   
imagine theres no heaven    its easy if you try
no hell below us    above us only sky
imagine all the people    living for today . . .

imagine theres no countries    it is'nt hard to do
nothing to kill or die for    no religion to
imagine all the people    living life in peace . . .

you may say im a dreamer    but im not the only one 
i hope someday you'll join us    and the world will be as one

imagine no prossessions    i wounder if you can
no need for greed or hunger    a brotherhood of man
imagine all the people    sharing all the world . . .
 

you may say im a dreamer    but im not the only one 
i hope someday you'll join us    and the world will live as one

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